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Auslandsjahr in Frankreich

Herbst 2010 - Juni 2011, 10 Monate Provence


Liebe esfa,
Ja, ich verstehe noch Deutsch, auch wenn ich manchmal einige Probleme mit dem Vokabular habe! ;) Mein Französisch macht auch enorme Fortschritte; ich bin jetzt kaum zwei Monate hier in Carpentras und wurde schon gefragt ob ich aus Nordfrankreich käme, da ich ja einen leichten Akzent hätte. Ich muss sagen, ich bin fast geplatzt vor Stolz.
In der letzten Woche hatte ich so gut wie keinen Unterricht, weil die Schüler das ganze Lycée mit städtischen Mülltonnen und Barrikaden und Menschenketten blockiert haben um gegen die neue Rentenreform zu protestieren. Morgen wird über das Gesetz abgestimmt und ganz Frankreich streikt. Es gibt sogar eine Benzinknappheit, weil nichts mehr an die Tankstellen geliefert wird. Am Dienstag war ich sogar mit ein paar Freunden auf einer Demonstration in Avignon, es war riesig!! Wir waren an die 35000 auf der Strasse und mit unserem Schulbanner (das schon 35 Jahre alt ist) ganz vorne am Kopf der Menschenschlange. Die Atmosphäre war enorm und ich bin froh, diese Erfahrung gemacht haben zu können!
Ich hab sogar daran gedacht, meine "absences" zu regeln. Das war nämlich ein bisschen kompliziert für mich am Anfang! Man hat sein "carnet de correspondance" und muss zwei aneinander klebende Tickets ausfüllen, wann, wie lange und warum man nicht da war und das müssen dann die Eltern unterschreiben und damit muss man dann zur "vie scolaire" und die stempeln die mitte und reissen den teil mit der Elternunterschrift weg. Dann sollte man erstmal seine Ruhe haben...

aah nein, ich wollte das noch gar nicht absenden!!! Hier die Fortsetzung:
Endlich,endlich habe ich einen Volleyballclub gefunden, nachdem das mit einer AG an der Schule nicht geklappt hat (stundenplanprobleme...)! Da hab ich dann noch mehr nette Mädchen kennen gelernt und Samstag hatten wir schon unser erstes Spiel!! Naja, wir haben zwar verloren (gegen ORANGE in einer orangenen Turnhalle und gegen eine mannschaft in orangenen Trikots^^), aber es war ja auch das erste Spiel von einigen, weil ich natürlich bei den "neuen" mitspiele. Zum Trost haben wir dann "pains au chocolat" spendiert bekommen.
Sowieso esse ich hier viel zuviel, denn es ist einfach ALLES délicieux!!(bis auf das choucroute in der Kantine vielleicht) Achtung, ich werd mit 10 Kilo mehr zurückkommen!
An den Samstagen fahren wir auch oft zu Verwandten oder haben Gäste und dann wird wieder gegessen...
Was ich in den Ferien mache, weiss ich noch nicht genau, denn viele meiner neuen Freunde fahren weg (zum glück nicht alle!) und ich überlege ob ich mir nicht einen kleinen Minijob suche, da ich wahnsinnige Lust hab zu arbeiten, um mir das Geld für meine geklauten Sachen quasi zurückzuverdienen ;) Und ich würde so gerne mal nach Paris.. Mal sehen, vielleicht wenn meine Gastschwester ihre theoretische Führerscheinprüfung besteht, machen wir mal einen Kurztrip in irgendwelchen Ferien oder so.
ich hoffe, ich hab das mit dem Bericht richtig gemacht, falls irgendwelche Aspekte fehlen, füge ich gerne noch was hinzu.
Liebe Grüsse, Pia

Liebe esfa,
Aufgrund einiger technischer Probleme kommt mein Bericht erst jetzt (das letzte Mal hat mein Emailprogramm beschlossen sich aufzuhängen, als ich gerade meinen super langen Bericht fertig geschrieben hatte..). Mir bleibt jetzt nur noch genau eine Woche im Süden Frankreichs im kleinen Carpentras und ich muss sagen, dass ich nicht weiss ob ich mich freuen soll, meine Familie wiederzusehen oder ob ich weinen soll, um das was ich verlassen muss.
Am meisten werde ich meine Gastschwester Anna vermissen, mit der ich seit diesem Winter Tag und Nacht zusammen bin. Wir haben auch ziemlich viele gemeinsame Freunde, von denen ich mich zum Teil auch schon verabschieden musste, weil sie zB in Avignon wohnen und ich sie vor meiner Abfahrt wahrscheinlich nicht mehr sehe.
Morgen ist dann auch mein letzter Schultag mit nur zwei Schulstunden. Morgens redet unser prof principal mit uns über die Klassenkonferenz und nachmittags machen wir ein « goûter »; jeder bringt Kekse und Kuchen und Getränke mit. Ich bin wirklich froh, in so eine nette Klasse gekommen zu sein. Aus dem Grund habe ich auch nicht die « section » gewechselt, obwohl ich mich in der L im Unterricht die meiste Zeit ein bisschen gelangweilt habe (ausser in Französisch und Geschichte-Erdkunde natürlich).
Ich habe bis jetzt viel gelesen, dass einige deutsche Schüler in ihrer Klasse nicht gut aufgenommen wurden, aber ich muss sagen, dass das bei mir überhaupt nicht der Fall war. Vielleicht liegt es daran, dass in meiner Stufe kein anderer Austauschschüler war, vor allem nicht aus Deutschland, worüber ich sehr froh bin. Nach etwa 5 Monaten habe ich einen Jungen aus Deutschland getroffen, der aber auf ein anderes Lycée geht und mit dem ich ein bisschen Kontakt habe, aber ich denke, dass es vor allem den Anfang ziemlich erschwert hätte.
Jetzt muss ich den Bilan aus 10 Monaten Leben in Frankreich ziehen. Ich würde sagen, es war einfach magnifique, und wenn ich nicht einige Leute in Deutschland hätte, die mich vielleicht vermissen, würde ich auch gar nicht zurückfahren. Anna ist für mich wie eine grosse Schwester und manchmal eine Mama zugleich und Avignon ist die Stadt meines Lebens. Natürlich werde ich zurückkommen, nicht nur diese Herbstferien um allen Hallo zu sagen, sondern garantiert später in meinem Leben, sobald ich kann und mein Abi habe. Von daher bin ich sehr glücklich, die Entscheidung für dieses Auslandsjahr getroffen zu haben, weil es wirklich das war, was ich wollte. Trotzdem würde ich es nicht allen weiterempfehlen, da man wirklich von sich aus den Wunsch verspüren muss (auf keinen Fall weil Mama das will!). Einige fahren auch weg, weil sie mit ihrem jetzigen Leben nicht klar kommen und sich nicht wohlfühlen, ich denke das sind sehr schlechte Gründe. Ausserdem sollte man auch sein Land gut wählen; ich war schon immer in Frankreich verliebt, von daher stellte sich die Frage gar nicht. Aber wenn man sich dann dazu entschlossen hat, bekommt man die Chance, sich ein ganz neues Leben aufzubauen, bloss dass man es nach 1O Monaten wieder verlassen muss. Das ist aber das Paradox des Auslandsjahrs und dafür will ich die tollen Moment, die ich hier verbracht habe, nicht missen.
Liebe Grüsse aus Carpentras,
Pia


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